Samstag, 7. Januar 2012

Pappenheimer Protokolle 06

Es war warm, sauber und freundlich. An diese Worte eines amerikanischen Schriftstellers musste er denken, während er sich in den einzigen Sessel setzte, der neben der Umkleidekabine stand. Während sie einen Pullover anprobierte, konzentrierte er sich auf die Umgebungsgeräusche. Eine Dame von knapp vierzig Jahren flog in den Laden herein, eine lachsfarbene Jacke auf dem Arm, schnell schnell, huschte in eine Kabine, kurz in alle Richtungen gelächelt, flog heraus, lächelnd, passt, zur Kasse, bezahlend, raus. Was war das denn? Draußen trommelte der Regen wie kleine Finger auf Pappkartons. Ein Saxophonsolo erhob sich über Jacken, Blusen, Hosen und Pullovern, während die Verkäuferin ein neues Angebot für seine Frau über die Tür zur Kabine legte. Passt es?

Dienstag, 3. Januar 2012

Pappenheimer Protokolle 05


Lisa. Sie lebt also noch in Pappenheim. Sie ist so alt wie Blauling. Was macht sie heute in Pappenheim? – Blauling erinnnert sich. Im letzten Schuljahr saßen sie oft am Fluss und sprachen über Gott und die Welt. Mit Lisa konnte er das. Sie wussten nahezu alles vom andern.
Weißt du?
Ja?
Ich möchte nicht von hier weg. Hier ist es eigentlich schön.
Ja.
Willst du denn weg?
Nein. Ich will hier eine Ausbildung machen. Zum Glück gibt es ja noch Buchbinder, bei denen man lernen kann.
Ich beneide dich.
Du kannst ja immer wieder kommen.
Ja.
Und nun waren 37 Jahre vergangen, und er erkannte Lisa an ihrem Gang. Die Haare hatten eine andere Farbe. Sie war nahezu genauso schlank wie damals. Aber ihr Gang war genauso wie immer.

Pappenheimer Protokolle 05

Pappenheimer Protokolle 04

02.01.12 Am Abend sitzt Blauling in seinem Zimmer und stöbert in einem alten Schrank nach Unterlagen aus seiner Jugend. Richtig: Dort liegen noch ein paar Notizbücher. In seiner jugendlichen Schrift notierte er damals Beobachtungen und Gedanken. Damals war Pappenheim ein richtiges Kaff für ihn. Er wollte bloß weg von hier. Aus einem Notizbuch fällt ein Zettel: 1965, März, steht da. Noch ist es draußen so kalt, dass Eisblumen an den Fenstern wachsen. Ich hauche an die Scheibe, um ein bisschen hinaus zu sehen. Ach, die Dr. Stamm trabt am Haus vorbei. Auch nichts Besonderes… Oh, Lisa läuft da. LISA.

Pappenheimer Protokolle 03


Blauling schlendert zum Elternhaus hinüber. Das Haus liegt am Burgring. Er hat es nach dem Tod der Eltern vermietet, bis auf eine kleine Einzimmerwohnung, die er für sich selbst freigehalten hat.
Jetzt setzt er sich in den Wohnraum. Es riecht nach alter Luft. Blauling lässt den Blick über die Fotos an den Wänden streifen. Er wusste nicht mehr genau, wessen Fotos er bei der Einrichtung dieser Wohnung an die Wand gehängt hatte. Da hängt ja sogar noch ein Foto von Dr. Charlotte Stamm, der alten Lehrerin, die immer so genau über alle bürokratischen Angelegenheiten Bescheid gewusst hatte. Gott, war das lange her. Alle wussten ja, dass sie ihre Haare färbte. Sie gab es aber nie zu. Wie alte mochte sie jetzt wohl sein? Ob sie noch lebte? Er hatte sie in Deutsch und Mathe…